2 : 1
Energie Cottbus - F.C. Hansa Rostock
Was habe ich mich seit dem Aufstieg und erst recht nach dem grandiosen Hinspiel auf dieses Spiel gefreut. Wie konnte man auch ahnen, was uns am gestrigen Sonnabend (wieder einmal) bevorstehen sollte. Dabei hätten wir das „Spiel des Jahres“ beinahe verpasst. Und das kam so:
Die Fahrt mit dem Dietä-Mobil (erstmals in dieser Saison übrigens) startete relativ pünktlich, frohen Mutes rollten wir der südöstlichen Metropole entgegen. Kurz nach Verlassen des Berliner Rings gab mir die Kraftstoffanzeige unmissverständlich zu verstehen, dass es an der Zeit wäre zu tanken. Dies tat der guten Stimmung an Bord keinen Abbruch, bis ich nach ca. 40 Kilometern fragte, wie weit man mit der Reservefüllung wohl kommt, was natürlich niemand wusste, eben so wenig, wie weit es wohl bis zur nächsten Tankstelle sein mochte.
Um kein Risiko einzugehen, verließen wir die Autobahn, es würde sich ja wohl in der nächsten Stadt eine Tankstelle finden, schließlich waren wir mitten in Europa. An der Ausfahrt gab es keine Hinweise, also steuerten wir die Ortschaft mit der laut Wegweisern kürzesten Entfernung an. Mit jedem Kilometer mehr auf der schnurgeraden Piste durch das brandenburgische Outback wurde es stiller im Cockpit, man konnte förmlich den Magnetismus spüren, der den Kraftstoffzeiger zum Anschlag zog, und weit und breit waren keine Spuren menschlicher Zivilisation zu erkennen. Da soll noch mal jemand etwas gegen Vorpommern sagen. Nehmt euch Kraftstoff mit, wir fahren nach Brandenburg. In Gedanken bereitete ich mich darauf vor, von meinen Mitfahrern am nächsten Baum festgebunden und den Wölfen zum Fraß angeboten zu werden, und sandte ein Stoßgebet zum Himmel.
Und ich wurde erhört – praktisch aus dem Nichts erschien am Horizont die Silhouette einer Tankstelle. Siegesgewiss wischte ich Witzeleien, in Brandenburg würden die Tankstellen sonnabends um 12:00 Uhr schließen oder keinen Diesel mehr verkaufen, vom Tisch und gab dem Fahrzeug, wonach ihm so dringend verlangte. Nach einer kurzen Stärkung konnten wir die Reise nach Cottbus fortsetzen. Unnötig zu erwähnen, dass nur 10 Kilometer nach Wiederauffahrt auf die Autobahn eine Tankstelle kam.
Der kleine touristische Ausflug hatte uns eine halbe Stunde gekostet, so dass wir buchstäblich in letzter Sekunde eintrafen, um noch vor Ankunft der Zugfahrer, den Cottbusser Stadtring zu entern und den wieder sehr großzügig bemessenen Gästeparkplatz zu erreichen. Die Maßnahmen zur Absicherung des Spieles ließen nur einen Schluss zu: Wir standen unmittelbar vor dem Ausbruch des dritten Weltkrieges – und wir waren die Hauptdarsteller. Beim Einlass durfte ich diesmal sogar die Schuhe ausziehen. Ich fragte den Ordner: Wollt ihr das wirklich? – Sie wollten. So zogen sich die Kontrollen doch sehr in die Länge und ich bin nicht sicher, ob es alle Hansafans rechtzeitig zum Spielbeginn ins Stadion geschafft haben.
Im Stadion fiel sofort auf, dass eine neue Fernsehanstalt offenbar die Übertragungsrechte erworben hatte. Cop-TV lieferte während des gesamten Spiels und danach mit neuestem HighTech-Equipment (besser als Premiere) Livebilder aus dem Gästeblock, wahrscheinlich sogar in HD-Qualität. Wozu so ein Oberrang doch gut sein kann.
Im Stadion gab es alkoholfreies Bier – als Reaktion darauf liefen über die Stadionlautsprecher die Toten Hosen mit „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“. Überhaupt wich das Musikprogramm doch etwas von dem in anderen Stadien ab. Es gibt Fan Charts, deren Top Five man sich durchaus anhören konnte. Allerdings wurde der gute Gesamteindruck durch die Nummer Eins dieser Charts mit einem Schlag zunichte gemacht – „Im Osten“ von Niemann.
In den letzten zehn Minuten vor dem Anstoß wurde es dann pompös. Das Verlesen der Mannschaftsaufstellungen und der Einmarsch der überdimensionalen Vereinsfahne unter den Klängen dramatischer Musik ließen Erinnerungen an die Kinder- und Jugendspartakiade aufkommen. Es fehlte nur noch die Entzündung der Energie-Flamme, aber das wäre dann wohl doch eine Spur zu „riefenstahlesk“ herübergekommen.
Eine lustige Szene gab es noch zu beobachten, als ein junger Hansafan katzengleich seinen Kopf durch den Zaun gesteckt hatte und fast nicht mehr zurück bekam. Warum ist die Kamera nie schussbereit, wenn man sie wirklich mal braucht?
Dann kam das Spiel. Bei der Beschreibung des Erlebten versagen einfache Worte, weshalb ich versucht habe, das Ganze künstlerisch aufzuarbeiten. Wer im Konfirmationsunterricht immer gut aufgepasst hat, wird sich erinnern, für alle anderen gibt es hier die Melodie zum Mitsingen.
Danke
Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag.
Danke, dass man vor Abstiegssorgen nur noch kotzen mag.
Danke für einen großen Auftritt, danke, das habt ihr toll gemacht.
Danke, dass jeder Honk in Cottbus über Hansa lacht.
Danke für diese zweite Halbzeit, danke für eure Willenskraft
Danke für diesen tollen Kampfgeist und für Leidenschaft.
Danke für jeden neuen Fehlpass, danke für’s Spiel in „Überzahl“.
Danke für die vergeb’nen Chancen so wie jedes Mal.
Danke für all die coolen Sprüche, danke für jedes Interview.
Danke, wer so erfolgreich spielt, dem hört man gerne zu.
Danke für ein Jahr erste Liga, danke, es wird schon weiter geh’n.
Danke, statt Frankfurt oder Bremen fahr’n wir bald nach Weh’n.
Dass wir, wie viele andere auch, nach dem Schlusspfiff nur noch weg wollten, kann sicher jeder nachvollziehen. Nach Verlassen der Gästezone und kurzem Spießruten-Fahren durch an der Ausfahrt wartende Cottbusser erreichten wir zügig die Autobahn. Unterwegs war es fast noch stiller als während der Tankstellensuche am Vormittag.
Aber irgendwie muss es jetzt ja weiter gehen. Wir greifen die „verrückte Idee“ (O-Ton des Stadionsprechers) von Energie-Kapitän Timo Rost auf, der sich im Falle des Klassenerhaltes die Haare rot färben will. Also – liebe Leser: Was macht ihr, wenn Hansa doch noch die Klasse halten sollte? Ein paar Vorschläge gab es schon vor dem Spiel. Duxx hat angekündigt, sich zu kämmen, ich werde (vielleicht) duschen und Adriana hat sogar versprochen, sich die Zähne zu putzen. Wir sind gespannt auf eure Ideen. Zeigt, dass ihr „verrückter“ seid als Timo Rost.
Uwe
